Ortsunabhängiges Arbeiten ermöglicht viel planerische Freiheit. Wenn das genutzte Geschäftsmodell täglichen Kundenkontakt involviert, löst man sich natürlich trotzdem nicht von den Einschränkungen der zeitlichen Absprache.
Wir arbeiten handwerklich – sprich: Konzeption, Design und Implementierung von Software, sowie als Berater im Bereich Geschäftsmodell, Softwarearchitektur und Teamentwicklung. Somit leiten wir nicht selten Teamabsprachen, machen Codereviews mit Mitarbeitern unserer Kunden oder nehmen an strategischen Planungen teil. Und wen wundert’s – diese liegen terminlich natürlich in der Zeitzone unserer Kunden. Hier kann man nur bedingt Einfluss nehmen, vor allem dann, wenn der Zeitversatz mehr als einen Arbeitstag beträgt. Eine Herausforderung, der wir uns im letzten Jahr beim Reisen durch Europa mit maximal 2h Zeitversatz nicht wirklich stellen mussten.
Dieses Jahr im Sommer 2016 ging es etliche Kilometer und Zeitzonen weiter weg vom Hauptquartier: wir bereisten die US of A! Anfang Juni starteten wir in Berlin – Ziel: Eastcoast. Zunächst einen Überblick verschaffen: Times-Square in New York, einen Gruß dem Capitol und umstehenden Gebäuden in Washington und schließlich von Quallen in Florida am Ormond Beach “umarmen” lassen.
Die ersten zwei Wochen offenbarten uns folglich schon die volle Bandbreite von Metropole bis viel, viel Sand. Ohnehin etwas mehr als Kurzurlaub geplant waren hier nur wenig Arbeitsstunden involviert und wir genossen die urlaubshafte Stimmung sowie die Gesellschaft unserer Reisebegleitung – ohne uns sonderlich Gedanken um den Zeitversatz machen zu müssen.
Für Mitte Juni bis Mitte Juli hieß unsere Anschrift auf Zeit: „New York – 139th and Broadway“. Ein 15 Quadrat-Meter-Harlem-WG-Zimmer. Zeitunterschied nach Deutschland: -6h. Einer unserer festen wöchentlichen Termine ist beispielsweise eine montägliche Absprache zu Problemen, Erfolgen und Zielen der zurückliegenden und kommenden Woche: ein sogenanntes Team-Standup mit einer bereits sehr verträglichen Startzeit von 10 Uhr deutscher Zeit. Für uns bedeutete das 4 Uhr nachts aufstehen – kein Problem. Oder doch? Die Arbeitszeit selbst sicher eher nicht, einige Tage den eigenen Rhythmus anpassen und das funktioniert. Es war eher die Frage des Arbeitsortes. Wenn auch nur auf Zeit, mochte man es sich nicht mit den 31-Tage-WG-Mitbewohnern verscherzen. Also ruhig sprechen und gedimmtes Licht anlassen. Ansonsten gilt eine „Wach und Arbeiten“ -Zeit ab 7 Uhr, also 13 Uhr deutscher Zeit. Ein wenig Überschneidung mit der Arbeitszeit unserer Teams ist schon nötig!
Die meisten deutschen Kontakte sind ab spätestens 13 Uhr New Yorker Zeit im Feierabend, und so kann man dementsprechend zeitiger Erkundungspausen einlegen. Wir haben uns jeden Tag einen der interessanten Punkte vorgenommen: Times Square, Central Park inklusive Rudertour, 4D-Kino, Broadway und das “Something Rotten”-Musical, eine Skybar bei Gewitter, Chinatown, Little Italy mit Christmas Shop, Brooklyn für Pizza und Cheesecake sowie einige von unseren WG-Mitbewohnerinnen empfohlene, sehr gute Restaurants. Auch das Ghostbusters Headquarter stand auf der Liste, leider gerade von Renovierungsmaßnahmen verdeckt – aber hey was soll’s, trotzdem schön! Auch interessant waren die klimatischen Bedingungen im Sommer in New York. Trotz einiger Regenschauer bestand bei gefühlten 45°C nie Gefahr, zu frösteln – wenn man nicht gerade ein klimatisiertes Gebäude betrat.
-6h also erfolgreich gemanagt. Es wurde Zeit für eine größere Herausforderung. Ab an die Westküste, Long-Beach (CA). Ein schöner Flecken Erde direkt neben der Stadt der Engel. Zeitversatz: -9h. Wieder den eigenen Tagesrhythmus anpassen: Montag aufstehen um 1 Uhr, den Rest der Woche spätestens um 4 Uhr (das kennt man ja schon), wenn es die Termine zulassen. Spätestens jetzt ganz wichtig: Das „Guten Morgen“ aus dem Wortschatz verbannen. Unsere Reisetätigkeiten sind den Kunden zwar bekannt und gelegentlich wird man auch danach befragt, aber ständig bewusst sind sich die Leute darüber natürlich trotzdem nicht. Die Zeitverschiebung gehört also immer dazu, was auch die Kalenderübersichtlichkeit zu einer Herausforderung werden lässt. Es ist mehr als einmal passiert, dass ein Termin in deutscher Zeit eingetragen wurde – glücklicherweise immer rechtzeitig bemerkt. Auch ein Aspekt des ortsunabhängigen Arbeitens: Selbstdisziplin und Flexibilität.
Neben diesen organisatorischen Kleinigkeiten wird man dann aber wiederum mit tollen neuen Eindrücken und Erfahrungen belohnt. Long Beach also. Endlich Strand, Sonne, Palmen…und Wasser. Direkt nach dem Einchecken in unser neues WG-Zimmer mit Picknick-Ausstattung ab an den Long Beach, wo uns ein fröhlich gelbes “Sewage contaminated water”-Schild erwartete. Picknicken konnten wird mit Sicherheitsabstand trotzdem. Abends quittierte unser Host Scott unseren Bericht dann mit “Yes, nobody goes to this beach”, machte aber glücklicherweise auch alternativ Vorschläge. So überwanden wir die Distanzen zunächst vornehmlich zu Fuß oder auch mal mit Leihfahrrad und besuchten kleine Shopping Malls oder das Shoreline Village, wo die Queen Mary liegt. Danach entschieden wir uns doch, einen Mietwagen zu nehmen, denn rund um LA ist ein Auto wahrlich Trumpf. So konnten wir den Empfehlungen folgend die schönen Strände wie Huntington oder Laguna (Salt Creek) besuchen. Durch Scott und seine Freundin haben wir dazu viel über die Region, das Surfen und die Strände gelernt, wie bspw. dass der “great white” gerade “migratet” – schön, schön – da bekommt man doch Lust aufs baden. Ein Wochenende haben wir uns noch zu einem Touri-Ausflug nach Los Angeles hinreißen lassen, d.h. natürlich auch die Hop-on-hop-off-Bustour. Neben Beverly Hills oder dem Walk of Fame waren vor allem die Strände von Santa Monica oder Venice beeindruckend, die Promis haben sich zu gut versteckt. Die 9h Zeitversatz waren hier nach einiger Zeit dann doch als kräftezehrend zu spüren, schlussendlich hieß es für einige Termine tatsächlich: Aufstehen, Telefonieren und wieder schlafen gehen.
Der letzte Stopp unseres USA Aufenthalts verschlug uns jedoch wieder ins Inland, wo wir erneut eine schon bekannte Zeitzone begrüßen durften. -6h auf die deutsche Zeit. So stand der August im Zeichen der Familie und führte uns nach Bloomington, Indiana. Wie wir schon einmal im Blog Post “Softwareentwicklung auf Reisen” beschrieben haben, ist auch das ein großer Vorteil des ortsunabhängigen Arbeitens: dort zu sein wo es Freunde und Familie hin verschlagen hat. Zu Beginn haben wir uns zu schönen Ausflugszielen rund um die Great Lakes führen lassen, wie bspw. South Haven, Traverse City, Bay City, Mackinaw Island, Chicago, schönen Stränden aber auch Dünen mit lebensbedrohlichen Ausmaßen. Bloomington selbst ist eine schöne und stundentenbevölkerte Uni-Stadt. Der historische Campus ist grün und beeindruckend. Auf dieser letzten Etappe haben wir unser Grundwissen zu amerikanischen (Schnell-)Restaurants gefestigt: Taco Bells, McDonald’s, Hooters, Red Lobster, Starbucks aber auch lokale Größen wie BuffaLouie’s oder Bub’s. Außerdem haben wir ungefähr jede Micro Brewery besucht – IPA hurray. Als sportlichen Ausgleich zum Essen lösten wir ein Weihnachtsgeschenk ein: In Indianapolis bewunderten wir die Indianapolis Colts bei einem Pre-Season Game mit bescheidenem amerikanischen Intro in Form einer feldgroßen Flagge mit Feuerwerk. Arbeitstechnisch keine neuen Erkenntnisse unter dem Aspekt der Zeitverschiebung.
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass man durchaus mit einem angepassten Rhythmus in zwei Zeitzonen leben kann. Sobald hier jedoch die Kunden in mehreren Zeitzonen sitzen, sehen wir den damit bedingte häufige Tagesrhythmus-Wechsel aber als sehr herausfordernd. Wieder einmal haben wir interessante Leute kennengelernt, spannende Konzepte besprochen und unterschiedliche Lebenseinstellungen erfahren! Wir sind allen, die wir getroffen haben, sehr dankbar für Ihre freundliche offene Art! Es war wunderbar. Bleibt nur die Frage: Wie verhält es sich, wenn der Zeitversatz mehr als 12h beträgt? Wir werden sehen…